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Archiv für den Monat Juni 2016

Diesmal nur eine einzige Leseempfehlung: Oliver Hilmes ist das Kunststück gelungen, ein sehr unterhaltsames und zugleich sehr ernsthaftes Buch über die Olympischen Spiele in Berlin 1936 zu schreiben. Ein kluges, glänzend geschriebenes Lehrstück über Propaganda, Inszenierung und die Macht der Bilder. Ein buntes Kaleidoskop, dessen Thema das Lebensgefühl in einem totalitären Staat ist, der sich eine weltoffene Fassade verpasst – für zwei intensiv-flirrende Wochen im August.

IMG_4607Als Vorbereitung auf unseren Sizilien-Urlaub zum ersten Mal „Der Leopard“ gelesen, was für ein umwerfender Roman! Lange hat mich kein Buch mehr so umgehauen wie dieses. Den Visconti-Film mit Claudia Cardinale, Alain Delon und Burt Lancaster hatte ich noch vage in Erinnerung, vor allem die üppige Ball-Szene in prachtvoller sizilianischer Umgebung. Aber nun das Buch von Giuseppe Tomasi di Lampedusa mit der Geschichte von Fürst Fabrizio, dem Chef des traditionsbewussten Hauses Salinas: Es geht um den Niedergang des alten feudalistischen Systems in Sizilien und den Aufstieg einer neuen bürgerlichen Klasse nach der Einigung Italiens 1860, wobei sich das verbrauchte alte Regime mit dem nicht weniger ungerechten, nur demokratisch angestrichenen neuen Regime klug verbündet. Symbolisch besiegelt wird das alles in der Ehe von Fabrizios Neffen Tancredi mit der schönen, aber gewöhnlichen Aufsteigerin Angelica. Neben dieser politischen Geschichte geht es, wie es sich für einen großen Roman gehört, aber vor allem um die ganz großen Fragen des menschlichen Lebens: Wie soll man leben, wie lieben und wie sterben? Don Fabrizio, nach den Leoparden im Familienwappen auch „il Gattopardo“ genannt, gibt darauf einige beeindruckende Antworten. Wir lernen ihn im ersten Kapitel auf dem Höhepunkt seiner körperlichen, geistigen und politischen Macht kennen und wir begleiten ihn im siebten Kapitel dreiundzwanzig Jahre später in den Tod. Ich kann mich nicht erinnern, je ein so berührendes Sterbekapitel gelesen zu haben („Winnetou III“ mal ausgenommen) mit eindrücklichen Bildern dafür, wie das Leben einen Menschen langsam verlässt. Fabrizio zieht gelassen ein ziemlich niederschmetterndes Fazit: „Ich bin dreiundsiebzig Jahre alt, in Bausch und Oben werde ich davon gelebt haben, wirklich gelebt, eine Gesamtsumme von zwei… drei  höchstens. Und die Schmerzen, die Öde, wieviele Jahre waren das? Unnütz, das mühsam zusammenzuzählen – alles, was übrigbleibt: siebzig Jahre.“ Genug gesagt, ein großartig melancholisches Buch, das dem Leser zuruft: Das Leben rennt, carpe diem!